Grin and bear it – Eindrücke vom Grizzly Race von Peter Grote
Nachdem ich Birgit leichtfertig zugesagt hatte, war an eine Absage nicht mehr zu denken. Nun kam der Tag immer näher, wo ich in England auf der falschen Seite fahren und auch schalten musste. Christoph war so nett, mich am Samstag früh mit seinem altersschwachen Opel zum Flughafen mitzunehmen, alles klappte und wir kamen pünktlich in London Gatwick an. Ich nahm Anne und Susann sowie Johannes mit zur Europcar Station und nach Nummernziehen und Formalitäten hatten wir das Auto.
Nun ging es los im Linksverkehr. Johannes musste oft korrigieren, weil ich zu weit links fuhr. Die Mädels schlugen vor, nach Rye Harbor zu fahren, das sollte auf dem Weg liegen. Nun ja, wir hatten keine Karte und im Navi hatte man keinen Überblick. Letztendlich sind wir bis Hawkhurst gekommen, haben etwas eingekauft und sind dann endlich Richtung Seaton gefahren. Der Umweg war aber nicht schlimm, zumal Johannes mich als 2. Fahrer ablöste.
In Seaton haben wir noch ein bisschen rumgesucht, bis wir auf dem Parkplatz ankamen. Christoph, Birgit und Susi waren auch schon da, was erstaunlich war, da sie sich in London am Flughafen erst zusammenfinden mussten, nachdem der Zug mit Birgit und Susi unterwegs irgendwie eine Panne hatte.
Das Wetter war sonnig, aber kühl und so sind wir nochmal zum Strand, der ja aus diesen komischen Kieselsteinen besteht, runtergegangen und haben Birgits Geburtstag noch etwas nachgefeiert. Christoph hatte eine Flasche Sekt und die Kinder ein paar Törtchen mit Kerzen. Leider konnte keiner der Angler am Strand mit Feuer dienen, so dass Birgit die Kerzen nicht auspusten musste. Es war auch etwas zu windig.
Abends hatten wir ein gemeinsames Essen im Lokal „Temptations“, wobei der Name bzgl. dieses Lokals zumindest irreführend erscheint. Britischer Humor oder auch Zynismus wären aber eine akzeptable Erklärung. Es war kühl, roch nach altem Fett. Die Crew war liebenswürdig, aber irgendwie bereits bei der Bestellaufnahme überfordert. Vielleicht bin ich aber auch zu pingelig. Die Gerichte waren jedoch besser als erwartet, zumindest was die Pommes angeht, die ich von Anne stibitzt hatte.
Zur Nacht war ich mit Manfred und Ronny einquartiert. Zu meiner Überraschung und großen Freude hat keiner geschnarcht, was zuvor meine Sorge war. Ronny stand dann am nächsten Morgen kurz nach fünf auf, um sich für den Tag und den Lauf gründlich vorzubereiten. Dies war insofern bemerkenswert, da der Lauf doch erst um 10 Uhr 30 losging.
Um 8 Uhr gab es dann aber echt englisches Frühstück und alle haben sich ordentlich gestärkt. Gewohnheitsmäßig bin ich eher vorsichtig und habe nur zwei Toastscheiben mit Marmelade und etwas Rührei genommen. Aber Hochachtung all denen, die diese Grauwurst und Bohnen vor dem Lauf vertragen.
Nach dem Frühstück wurde es aber nun auch für mich langsam ernst, auch weil Manfred mir beim Essen alte Schauergeschichten über den Lauf auftischte, wo ich ja nicht wissen kann, was davon so stimmt. Es folgte auch noch obligatorische Pegasos-Fototermin und direkt vor dem Lauf auch noch einer mit den Plumstead Runners.
Um kurz nach 10 gingen wir dann alle zum Startbereich. Kurz vor dem Start wurde noch ein Offizieller im Karnevalskostüm bemüht, der ein paar ehrwürdige Sätze sagte, wobei er auch nicht vergaß, dass Gott die Queen beschützen möge. Von Zeit zu Zeit bimmelte er mit einer antiken Handglocke, vmtl. noch aus dem Besitz von Shakespeare, und beim letzten Bimmeln begann endlich das Race.
Kurz nach dem Start musste ich auf diesem furchtbaren Strandabschnitt laufen, der scheinbar nicht enden wollte. Entnervt sah ich die leichten Läufer vor mir, die scheinbar schwerelos über die Kiesel flogen, während ich ständig mit meinen 80 Kilo bis zum Knöchel einsank und mich mühte. Dann überlegte ich mir, genau in die Stapfen meines Vordermannes zu laufen, da ja dort der Untergrund verdichtet sein müsste und nicht mehr nachgeben sollte. Leider hat dies nichts gebracht, außer dass ich etwas von der Quälerei abgelenkt wurde.
Bei besten Wetter und unter den wachsamen Augen der Marshalls ging es denn etwas entspannter wieder nach Seaton durch den Ort und dann stetig, aber noch auf gutem Wege bis hoch nach Beer und dann wieder runter nach Sea Shanty, um dann durch den Old Mill Stream zu waten. Dies war etwa bei Meile 5 und von da ab wurden die Füße nun nicht mehr trocken.
Auf dem Diagramm habe ich mal den Höhenverlauf angegeben (insgesamt sind wir 848 Höhenmeter rauf und wieder runter gelaufen). Das ist für mich Flachlandexperten total ungewohnt und sollte sich dann ab Meile 10 rächen.
Das Diagramm zeigt zwar die steilen An- und Abstiege über der km–Achse, allerdings nicht die Wegbeschaffenheit und die Schmerzen, die vmtl. jeden plagten. Ab Beer ging es dann weiter auf Landwegen, Feldern und mehreren Modderstellen, die immer hübsch eingezäunt waren und von Marshalls bewacht wurden, damit keiner der Läufer vom Wege abkam und vielleicht versuchen würde, drum herum zu laufen. Ich hatte sogar den Eindruck, dass die Läufer vor mir mit großem Spaß sich die tiefsten Stellen aussuchten. Absichtlich drin gewälzt hat sich aber keiner, soweit ich das beobachten konnte.
Spätestens ab Meile 10 hatte ich keinen richtigen Bock mehr auf das Rennen. Die vielen furchtbaren Anstiege und Abstiege waren mir zu steil, ich konnte selbst nicht mal mehr bergab Laufen, weil die Oberschenkelmuskeln fest wurden. Auf den Pulsmesser brauchte ich auch nicht mehr schauen, der Kreislauf war natürlich im grünen Bereich, aber was nützte das, wenn die Beine wacklig wurden und sich mit Schmerz meldeten, um zu zeigen, „nun ist Schluss!“ Aber es geht immer irgendwie weiter. So ab Meile 15 habe ich dann erstmalig bei diesen Jellybears zugegriffen – ich muss sagen diese haben vorzüglich geschmeckt (vmtl. aber nur in dieser konkreten Situation?).
Es ging nun nochmal an dem Fountain Head Pub vorbei, wo auch ordentlich Musik gemacht wurde, und einige die wollten, haben sich dort auch mit Cider gestärkt. Hinter dem Pub ging es gleich rechts durch einen schmalen Gang wieder hoch und am Ende konnte man wieder die Aussicht genießen nur um gleich wieder runter zum Old Mill Stream zu kommen.
Dort habe ich erst mal versucht den Modder von meinen Schuhen abzuwaschen, was mir auch leidlich gelang. Außerdem hatte sich dabei auch das Modderkissen unter meinem Fuß endlich aufgelöst, welches sich irgendwie zwischen Socke und Innensohle des Schuhs gebildet hatte und mich seit mindestens einer Stunde ärgerte. Mit fast sauberen Füßen kam ich noch einmal an so einen Strandabschnitt mit Kieselsteinen, den ich zumeist gewandert bin, gelegentlich trabte ich aber und wurde nun ständig überholt. Nahezu zum Schluss ging es viele Stufen hoch, wieder ungefähr da, wo wir schon beim Hinweg zur Steilküste kamen.
Dort wurde ich noch von zwei leichtfüßigen Pegasos Läuferinnen überholt, die mir dabei noch Mut machen wollten, indem sie mir zuriefen „Klaus, du hast es gleich geschafft!“ – aber ich mochte nicht mehr… völlig demoralisiert ließ ich die Weiber vorbeiziehen.
Grundsätzlich soll man Frauen ja sowieso den Vortritt lassen, dies gebietet auch die Höflichkeit, dachte ich so bei mir. Oben angekommen, bin ich dann langsam wieder in die Gänge gekommen, war noch etwas vorsichtig bei den steileren Abstiegsabschnitten, aber als es flacher wurde brauchte ich keinen mehr vorbeilassen. Der Schmerz vergeht, der Ruhm bleibt!
Nachdem ich durchs Ziel gekommen war, griff ich zwei Bananen, eine Flasche Wasser und das ofizielle Grizzly T-Shirt. Die Füße konnte man mit einer Bürste reinigen, zwei Leute hielten zum Abspülen Wasserschläuche bereit. Nach grober Reinigung schlurfte ich dann zum Eyre Court Hotel (bloß gut, dass es so dicht bei war). Ich zog meine zwei Paar vollgesaugten Socken und die versifften Schuhe aus und versteckte alles hinter dem Hotel. Dann duschen und runter in den Pub – die drei Tuborgs müssen irgendwie verdunstet sein. Zur Freude aller spielte ein lokales Duo auf, die feinen Britischen und Amerikanischen Rock und Blues interpretierten. Eine betrunkene Lady tanzte gelegentlich dazu. Abends gab es dann noch ein gemeinsames Essen mit den Plumstead Runners.
Am nächsten Morgen haben wir noch alle zusammen gefrühstückt und sind dann mehr oder weniger einzeln zurückgefahren. Rehners, Susi, Johannes und ich sind noch nach Lyme Regis gefahren, ein hübsches Urlaubernest mit einer Einkaufsstraße, kleinen Läden und einer Strandpromenade. Beim Essen haben wir dann andere Pegasos-Läufer getroffen und im Ort auch einige Plumstead Runners. Anschließend sind wir, mit einem kurzen Abstecher nach Winchester, wieder zurück zum Flughafen gefahren. Dort gab es noch kurze Diskussionen bei der Rückgabe des Mietwagens. Ich musste einen kleinen Kratzer noch mit einem Tuch wegpolieren, damit die Dame sich zufrieden gab. Glück gehabt „She didn‘t want to charge me“.
Der Flug nach Berlin verlief dann ereignislos, die Rückfahrt mit Christoph war etwas aufregend, aber das ist eine andere Geschichte.
Grizzly 2016 – Grin and bear it:
Platz | Name | Zeit | Platz m/w |
---|---|---|---|
166 | Ralf Haertel | 03:06:32 | 150 |
396 | Uwe Kernn | 03:32:05 | 344 |
433 | Volker Keller | 03:33:56 | 373 |
701 | Susanna Wiegand | 03:57:13 | 136 |
702 | Frauke Keller | 03:57:14 | 137 |
741 | Peter Grote | 04:00:16 | 590 |
910 | Marion Schwarz | 04:14:53 | 219 |
960 | Susann Rehner | 04:20:12 | 241 |
961 | Johannes Huhn | 04:20:15 | 720 |
1116 | Christoph Rehner | 04:36:14 | 797 |
1293 | Katharina Nauendorf | 05:05:32 | 415 |
1335 | Susanne Boehm | 05:20:45 | 441 |
1336 | Anne Rehner | 05:20:47 | 442 |
1351 | Birgit Rehner | 05:25:12 | 449 |
1372 | Marco Raboldt | 05:33:13 | 912 |
1373 | Carmen Fischer | 05:32:35 | 461 |
1374 | Ronald Bader | 05:34:27 | 913 |
Grizzly – 13.03.2016
Die Fotos sind von Hardy, vielen Dank!