Es war der erste reguläre (d.h. am Patriot’s Day im April stattfindende) Boston Marathon nach Corona.
Die Impfzertifikate mussten schon vor Antritt der Reise an die Boston Athletic Association elektronisch eingereicht werden und für die Einreise in die USA wurde zusätzlich ein tagesaktueller negativer Antigen-Test verlangt, um ins Flugzeug gelassen zu werden. Das war es dann aber auch. Beim Marathon war die Maske nur während der Busfahrt von Boston zum Start in Hopkinton Pflicht. Das Wetter war freundlich, sonnig bei lauffreundlichen 13 Grad Celsius. Beim Bustransfer gab es Gedränge und die Menschenmassen kamen nur mit Verzögerung in die Busse. Dann ging es 42 km nach Westen. Kaum angekommen im Athletendorf in Hopkinton,ging es sofort ans Schlange stehen vor den Porta-Potties, wie die Dixi Klos auf amerikanisch heißen. Kaum die letzten Gramm abgeworfen, wurde unsere ‚Wave‘ aufgerufen, sich in die ‚Corals‘ zu begeben. Es blieb kaum Zeit. Meine Frau startete in der 8. Ich in der 2. Coral, also küssten wir uns, wünschten uns viel Glück und Gelingen und dann ging jeder in seinen Block. 10:45 (45 min nach der ersten Welle) erfolgte der Start. Neben mir waren ca. 80% junge Frauen. Eine Frau trug das vom Berlin-Marathon gut bekannte Trikot von ‚Danish Dynamite‘. Ich fragte sie, ob sie schon in Berlin gelaufen sei. Na klar, war sie. Unterwegs überholte mich eine Frau mit SCC Shirt. Wir grüßten uns und wünschten uns gegenseitig Erfolg. Der Anteil von Frauen war besonders groß, da vor 50 Jahren zum ersten Mal offiziell Frauen an dem Wettbewerb teilnehmen durften – insgesamt 8 waren es damals, jetzt wohl an die 50% und in meiner Welle waren sie deutlich in der Mehrheit. Sie waren gut trainiert und repräsentierten stolz ihre Hochschulen, Harvard, MIT, Boston University etc. Wir passierten kleine Ortschaften wie Ashland und dann Framingham. Alles sah festlich aus, mit vielen Zuschauern und Fahnen. Die Stimmung – großartig. Neben den Stars and Stripes waren auch einzelne ukrainische Fahnen zu sehen. Zwischen den Ortschaften stand ein lichter Wald mit noch unbelaubten Bäumen mit Sümpfen und Seen, eine typische Landschaft für Neu-England. Die Landstraße ging auf und ab und das zog Kraft. Auf halbem Weg passierten wir Wellesley. Dieser Ort ist wegen seines Internats für junge Frauen berühmt. Hier soll auch Hillary Clinton die Schulbank gedrückt haben. Man hört den Ort schon Kilometer vorher. Hunderte von Zuschauerinnen erzeugen ein ohrenbetäubendes Geschrei, um die Läufer/innen anzufeuern. Sie halten Plakatehoch mit Sprüchen wie ‚Kiss me‘ oder ‚Free hugs for Boston Runners‘ oder ‚You are running better than the government’. Halbmarathon schaffte ich in 1:45. Das ließ auf eine akzeptable Endzeit hoffen. Leider brannte mein rechter Nacken. Die Sonne! Ich hatte es versäumt, mich mit Sonnenschutzmittel zu schützen. Dann stand Heartbreak Hill an. Auf der Höhe der Ortschaft Newton gibt es mehrere Anstiege aber auf km 33 ist Heartbreak Hill der giftigste und bekannteste. Die Zuschauer stehen dicht und johlen-‚comeon‘. Jetzt bloß nicht stehen bleiben! Ich schaffte den Anstieg – nicht leicht, aber auch nicht am Ende aller Kräfte. Ich war immer noch zuversichtlich, eine gute Zeit zu erzielen und beim Gefälle konnte ich auch wieder gut Fahrt aufnehmen.Boston erreicht man erst auf den letzten 6-5 km. Ein riesiges Plakat mit einem roten Dreieck mit der Unterschrift CITGO ist von weitem sichtbar und es zeigt dem Läufer an – jetzt ist es nicht mehr weit bis zur Boylston Street, dem ersehnten Ziel. Die letzten Kilometer zogen sich noch, doch die Zuschauer trieben die Läufer an und letzte Kräfte wurden mobilisiert. Die Beine fühlten sich nun bleischwer an. Ich brach nicht ein, ließ aber einige Minuten liegen und kam mit 3:41:58 an. Meine Frau kam etwas später in einer Zeit von 4:17:05 ins Ziel. Nicht schlecht – das würde für uns beide reichen, um uns für den nächsten Boston Marathon zu qualifizieren. Aber wir wollenja nach Tokio, um endlich den 6. Major Marathon Stern zu bekommen…
Wir feierten den Boston Marathon mit ‚Samuel Adams‘ einem wirklich leckeren örtlichen Bier. Im Pub trafen wir auch Des (Desiree) Linden, die 2018 den Boston Marathon bei eisigem Schneeregen gewinnen konnte.
Die schweren Beine waren schnell vergessen, aber wir hatten reichlich ‚Farbe bekommen‘, sprich einen ausgewachsenen Sonnenbrand, aber nur auf der rechten Seite. Da der Marathon von West nach Ost geht, kam die Sonneneinstrahlung die ganze Zeit aus südöstlicher Richtung und das Lauftrikot war deutlich erkennbar, obwohl man es ausgezogen hatte. Also, nächstes Mal Sonnencreme verwenden.